Wie man in der Produktion eine Weltklasse-OEE erreicht

Wie man in der Produktion Weltklasse-OEE erreicht

Die Overall Equipment Effectiveness (OEE) ist eine wichtige Kennzahl in der produzierenden Industrie. Sie setzt sich aus dem Verhältnis von voll produktiver Zeit zu geplanter Produktionszeit zusammen und beschreibt dabei die Gesamtanlageneffektivität. Eine detaillierte Erklärung zum Begriff OEE finden Sie in unserem Artikel Gesamtanlageneffektivität (OEE) besser nutzen dank Datenvisualisierung. Die OEE wird als das Produkt der drei Faktoren berechnet, aus denen sie sich zusammensetzt:

OEE = Verfügbarkeit × Leistung × Qualität

Diese Art der Berechnung macht das Erreichen eines hohen OEE-Wertes zu einer ziemlichen Herausforderung. Wenn z. B. alle drei Faktoren 90 % betragen, liegt die resultierende OEE nur bei
73 %. In der Praxis sind die allgemein akzeptierten Weltklasse-Ziele für jeden Faktor recht unterschiedlich. Folgende Zahlen gelten für die diskrete Fertigung (für die Prozessindustrie gelten andere Werte)

Verfügbarkeit: 90%
Leistung: 95%
Qualität: 99%
OEE: 85%

Woher kommt der Begriff Weltklasse-OEE (engl. World-Class OEE)?

Der Begriff Weltklasse-OEE wurde durch Seiichi Nakajima vom Japanischen Institut für Instandhaltung (JIPM - Japanese Institute of Plant Maintenance) geprägt. Er gilt als “Vater von TPM”. Total Productive Maintenance (TPM) entwickelte er in Japan ab 1969 erstmalig bei der Nippon Denso Co., einer Tochter von Toyota Motors. Inspiriert dazu wurde er durch seine Reisen, auf denen er etwa in den USA verschiedene Wartungsmethoden studierte. Etwas mehr über Seiichi Nakajima kann man im Artikel Uptime: Remembering The Father of TPM des “Efficient Plant”-Magazins erfahren, der auch einige seiner Zitate enthält.

In seinem Buch “Introduction to TPM: Total Productive Maintenance” erklärt er auch den Nutzen von OEE und der Vermeidung der sechs relevantesten Effizienzverluste (Six Big Losses). Seiichi definierte die darin oben genannten Zahlen, basierend auf seiner praktischen Erfahrung, als Mindestwerte, nach denen Unternehmen streben sollten. Er wies auch darauf hin, dass die erfolgreichsten japanischen Produktionsunternehmen OEE-Werte von über 85 % aufwiesen. Diese Zahlen sind interessant und als erste Einordnung nützlich. Doch ist zu beachten, dass sie aus einer bestimmten Zeit (1970er), von einem bestimmten Ort (Japan) und einer bestimmten Branche (Automobilfertigung) kommen.

Problematik mit dem Begriff Weltklasse-OEE

Es gibt eine grundsätzliche Schwierigkeit bei der Verwendung von OEE in Ihrem Unternehmen - egal ob es sich um Produkte, Maschinen, Linien oder Abteilungen handelt: solange nicht alle Bedingungen exakt gleich sind, können die Zahlen nicht zum Vergleich herangezogen werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass jede einzelne Linie das gleiche Produkt unter den gleichen Bedingungen herstellt, ist extrem gering. Verschiedene Faktoren tragen zu unterschiedlichen Zahlen bei. Warum also die Weltklasse-OEE als universelle Benchmark verwenden?

Wenn man bedenkt, dass die OEE aus dem oben genannten Grund unterschiedlich ist, ist sie auch für jedes Unternehmen, jede Branche und jedes Land unterschiedlich. Eine Kennzahl, die in Japan in der Automobilindustrie etabliert wurde, kann bei einem Kunststoffhersteller in Deutschland eine andere Gewichtung mit anderen optimalen Werten haben.

Wenn Ihre Leistung 100 % beträgt, die Verfügbarkeit 100 % beträgt, aber die Qualität des produzierten Produkts 85 % beträgt, gelten Sie dann als Weltklasse? Was ist, wenn Sie eine Verfügbarkeit von 85 % haben, aber nie eine vorbeugende Wartung an den Maschinen durchführen, um diese “Weltklasse”-Metrik von 85 % zu erreichen, gelten Sie dann als Weltklasse?

Angenommen in Werk A haben wir einen OEE-Wert von 70 %. In einem anderen Werk B haben wir eine “Weltklasse”-Bewertung von 90 %. Es scheint offensichtlich zu sein, dass Werk B besser produziert. Ein genauerer Blick zeigt jedoch, dass das nicht immer der Fall ist.

Werk B: Ein Hauptziel muss erreicht werden

Das Management von Werk B übt starken Druck aus, ein Weltklasse-Ziel von 85 % oder 90 % OEE zu erreichen. Das Erreichen dieser hohen Zahl ist das Hauptziel für dieses Werk. Boni und Anreize wurden an das Erreichen oder Übertreffen dieses Ziels geknüpft, Investoren oder Vorstandsmitglieder erwarten eine hohe Zahl und die Karriere der Werksleitung hängt davon ab. Das Ergebnis sind hoher Stress und Sorgen unter Arbeitern und Managern.

Bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass der Standort unzählige Stunden damit verbrachte, zu analysieren und zu begründen, welche Dinge sich auf seine OEE-Berechnung auswirken sollten und welche nicht. Um den Prozentsatz hoch zu halten, beschloss die Werksleitung, dass Besprechungen, Umrüstungen, Personalengpässe und andere Aktivitäten als Nicht-Produktionszeit behandelt werden sollten. Gleichzeitig entschied man sich, zur Berechnung der OEE die empirisch gemessenen Zykluszeiten zu verwenden, anstatt die optimalen Zykluszeiten der Anlagen. Dadurch wurde die OEE noch weiter künstlich aufgebläht.

Mit diesem Vorgehen hat sich Werk B in einen Teufelskreis begeben: Sie rechtfertigen die hohe Zahl, indem sie wichtige Werksprozesse und Aktivitäten ignorieren. Statt die Schwierigkeiten auf dem Weg zu lösen, wurden sie ignoriert, um bessere Kennzahlen zu erreichen.

Werk A: Verbesserung anstreben und messen

Werk A mit einer OEE von 70%, hat eine andere Perspektive. Die Führungskräfte dieses Unternehmens haben verstanden, dass der Schlüssel zu echtem Erfolg darin liegt, die Schwierigkeiten in Echtzeit zu erkennen und sich auf sie zu konzentrieren, wenn sie auftreten. Sie setzen sich Ziele, die auf Verbesserungen und der Anzahl der gelösten Herausforderungen basieren. Es wurde im vergangenen Jahr eine Verbesserung der OEE um 10 Prozentpunkte von 60% auf 70% erzielt. Nicht die Zahl an sich ist das endgültige Ziel, sondern die Verbesserung.

Im Gegensatz zu Werk B wählt Werk A einen aggressiven Ansatz, um Verbesserungen zu erreichen. Sie betrachten jede Sekunde, in der die Linie oder der Prozess nicht läuft, als verlorene Chance. Dazu gehören Besprechungen, Schulungen, Einrichten, Umrüsten, vorbeugende Wartung usw. Werk A versteht, dass das Anhalten der Linie für eine Teambesprechung oder vorbeugende Wartung verlorene Zeit für die Produktion ist. Die Mitarbeiter konzentrieren sich auf Verbesserungen, um die für die vorbeugende Instandhaltung benötigte Zeit zu verringern. Sie führen effiziente und effektive Teambesprechungen in einer angemessenen Zeit durch.

Indem sie Boni und Anreize auf das Aufdecken und Lösen von Problemen ausrichten, sind die Mitarbeiter von Werk A stets bemüht, Schwachstellen im System aufzudecken oder Möglichkeiten zur Verbesserung des Systems vorzuschlagen.

Problembehebung und Verbesserung als Schwerpunkt setzen

Über viele Jahre hinweg hat sich OEE zu einer Schlüsselkennzahl für die Messung von Produktivität bei Herstellern entwickelt. Durch die Festlegung der OEE als einzige Erfolgsmetrik werden die OEE-Zahlen in unangemessene und künstliche Höhen getrieben. Die Hersteller versuchen, “Weltklasse”-Prozentzahlen auf Kosten der tatsächlichen Gesamteffizienz der Anlage zu erreichen. Bei dem Versuch perfekt auszusehen konzentrieren sie sich nur auf das, was funktioniert - Bereiche, die verbessert werden müssen, werden dabei manchmal ausgeblendet.

Dies führt zu einem Kreislauf von Ineffizienzen. Der Druck, hohe, sich ständig verbessernde OEE-Zahlen zu erreichen, motiviert Betriebsleiter und Mitarbeiter dazu, die Ergebnisse übermäßig aufzublähen oder nur positive Daten zu melden. Wenn die Mitarbeiter jedoch nur motiviert sind, hohe OEE-Prozentsätze zu erreichen, verbessern sie nicht unbedingt den Betrieb. Sie könnten dazu neigen, sich zu rechtfertigen, indem sie nicht alle Produktionsausfälle ordnungsgemäß melden oder die Ausfallzeiten der Produktionslinie außer Acht lassen. Es gibt keine Verantwortlichkeit für das Lösen von Problemen.

Stattdessen müssen sich die Hersteller darauf konzentrieren, Herausforderungen schnell zu finden und zu lösen. Indem sie sich auf die Verbesserung konzentrieren, befähigen Sie die Mitarbeiter, nach Ineffizienzen in der Produktion zu suchen und Korrekturen vorzunehmen.

Mit einer Denkweise, die ständig nach Verbesserungen strebt, kann die Werksleitung den Fokus auf Genauigkeit und Transparenz legen, was zu zuverlässigeren Daten führt. Diese verbesserten Daten ermöglichen es den Managern, Probleme wirklich zu lösen, indem sie Stillstandszeiten reduzieren, vorbeugende Wartungsmaßnahmen planen und notwendige Investitionsausgaben rechtfertigen.

Realistische Ziele und sinnvolle KPIs

In einer von SageClarity zusammen mit epicor durchgeführten Studie wurden über 100 Unternehmen aus verschiedenen Branchen untersucht, um herauszufinden in welchen Bereichen ihre OEE liegt:

Diagramm OEE Werte
[Grafik angelehnt an: https://sageclarity.com/articles-oee-benchmark-study/]

Der von Seiichi Nakajima geprägte OEE-Wert von 85% als Weltklasse-OEE bestätigt sich somit, die oberen 1% übertreffen diesen sogar noch deutlich.

Wenn es darum geht sein Werk realistisch einzuschätzen, sollte man den durchschnittlichen OEE von 66.4% berücksichtigen und Steigerungen nicht durch Rechentricks (s. Beispiel Werk B), sondern durch echte Verbesserungen erzielen.

Die Studie nennt dazu vier KPIs, auf die man ein besonderes Augenmerk legen sollte, da diese von den OEE-Besten am intensivsten verfolgt werden:

KPI Definition
Unmarkierte Ausfälle Prozentsatz der nicht gekennzeichneten Ausfallzeiten
SKU-Anomalien SKUs (Artikelnummern), die eine Produktionsrate von +/- 10% der idealen Produktionsrate für die SKU aufweisen.
Anzahl Kurzstopps Anzahl kurzer Stopps pro Stunde (Stopp mit einer Dauer von 10 Minuten oder weniger)
Verfügbarkeit Betriebszeit über geplante Zeit

Zuletzt noch einige konkrete Handlungsempfehlungen, je nachdem wo Sie heute mit der OEE stehen:

Wenn die OEE > 70% ist:
-> Konzentrieren Sie sich auf die Reduzierung von Kurzstopps, was mit einer besseren Verfügbarkeit korrelieren kann. Die Verfügbarkeit ist der KPI, der sich in diesem Bereich am stärksten auf die OEE auswirkt.

Wenn die OEE zwischen 50 - 70% liegt:
-> Konzentrieren Sie sich auf Maßnahmen zur Verringerung/Beseitigung von Anlagenausfällen, die mit ungeplanten größeren Ausfallzeiten korrelieren. Dies ist ein weiterer KPI, der die OEE beeinflusst.

Wenn die OEE zwischen 30 und 50% liegt:
-> Konzentrieren Sie sich auf die Kennzeichnung von Stillstandsereignissen unabhängig von der Dauer, um Erkenntnisse zur Verbesserung zu gewinnen.
-> Konzentrieren Sie sich außerdem auf die Reduzierung von Anlagenausfällen. Diese können zu erheblichen Ausfallzeiten führen, die sich auf die Verfügbarkeit und damit auf die OEE auswirken.

Das Erfassen dieser KPIs kann manuell oder systemgestützt erfolgen. Der Einsatz von Software, wie
z. B. der IIoT-Software da³vid, bietet hier entscheidende Vorteile und sorgt für eine bessere Übersicht über Ihre Daten. da³vid hilft Ihnen dabei Maschinendaten zu erfassen, zu visualisieren und auszuwerten und das auf einfache und übersichtliche Weise.