Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf die Industrie?

Datenanalyse

Auch und insbesondere in der produzierenden Industrie ist die digitale Transformation zu einer der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts geworden. Ist von der Digitalisierung des produzierenden Gewerbes die Rede, fällt im gleichen Atemzuge ein Schlagwort, dem wir in unserer neuen Blog-Reihe unsere Aufmerksamkeit widmen wollen: Die „Industrie 4.0“. Was genau die Industrie 4.0 im Zuge der digitalen Transformation bedeutet und welche Auswirkungen die umfassende Digitalisierung auf die Produktion hat (und noch haben wird!) erfahren Sie hier:

  • Von der Industrie 1.0 zur Industrie 4.0
  • Der Status Quo der Industrie 4.0
  • Wie wird aktuell mit Industrie 4.0 Anwendungen gearbeitet?
  • Die Zukunft der digitalen Transformation
  • Macht die smarte Fabrik den Menschen überflüssig?

Von der Industrie 1.0 zur Industrie 4.0

Zeitstrahl Entwicklung Industrie 1.0 bis Industrie 4.0

Wohl keiner der Industriellen, die vor über 200 Jahren mit der Massenproduktion von Teilen durch Maschinen starteten, hat sich Gedanken über die Agenda gemacht, mit der die Industrieentwicklung durch Industrie 1.0, Industrie 2.0, Industrie 3.0 und Industrie 4.0 abzuhaken sind. Diese Kategorisierung funktioniert daher nur aus unserer heutigen Sicht und beschreibt den industriellen Wandel in vier Phasen. Die Bezeichnungen 1.0 bis 4.0 sind dabei eng an die Versionsnummern digitaler Produkte angelehnt – die älteren unter uns erinnern sich vielleicht noch an das Betriebssystem Windows 3.1 – die dritte Version des MS-Betriebssystems überhaupt und die erste Überarbeitung dieser dritten Version (die eine „graphische Betriebssystemerweiterung“ beinhaltete).

Aber zurück zur Industrie. Die Industrie 1.0 begann um das Jahr 1800 mit der Einführung von Maschinen, die erstmals in der Geschichte der Menschheit die günstige Fertigung von Massenteilen aller Art erlaubte. Als Energie wurde damals Wasserkraft eingesetzt, die im Verlauf durch den Einsatz von Dampfmaschinen optimiert wurde.

Rund 100 Jahre später, am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert, wurde die Elektrizität als Antriebskraft populär – und läutete damit den Startschuss für die zweite industrielle Revolution ein. Die Industrie 2.0 war geprägt von fortschreitender automatisierter Arbeit und der Produktion am Fließband. Man denke hier beispielsweise an Henry Ford und sein Auto, der „Tin Lizzy“ (Modell T), das ohne Fließband- und Akkordarbeit niemals zu der Erfolgsgeschichte geworden wäre, die wir heute kennen.

Die dritte industrielle Revolution ist noch gar nicht so lange her. In den 1970er Jahren begann die Industrie 3.0 mit einer noch weiter ausgebauten Automatisierung durch Elektronik – und erstmals mit der Unterstützung der IT. Die ersten numerischen Steuerungen an Werkzeugmaschinen, aber auch die Personal Computer stehen exemplarisch für die dritte industrielle Revolution.

Die vierte industrielle Revolution erleben wir gerade alle mit. Die Digitalisierung früherer analoger Prozesse und Techniken steht hier im Fokus. Neue Kommunikationsformen, das IIOT (Industrial Internet of Things) und digitale Fabriken, die bezahlbare, individuelle Einzelteile ohne Einschränkungen „auf Knopfdruck“ produzieren, sind bezeichnend für die Industrie 4.0.

Der Status Quo der Industrie 4.0

Eine vor einiger Zeit durchgeführte Studie beschäftigte sich mit dem Einsatz und der perspektivischen Entwicklung von Industrie 4.0-Anwendungen in Deutschland. Aus dieser Studie geht vor allem eines hervor: Die Technologie-Trends der digitalen Transformation sind für die befragten Unternehmen allesamt „sehr wichtig“ oder „eher wichtig“. Zu den Trends gehören die IT-Sicherheit, die Machine-to-Machine-Kommunikation, Cloud Computing oder Big Data. In größeren Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern standen zum Zeitpunkt der Studie bereits Trends wie Artificial Intelligence und die Blockchain hoch im Kurs. Je größer das Unternehmen, desto höher wurde die Bedeutung von Industrie 4.0 in den nächsten 5 Jahren eingeschätzt – entsprechend viele Arbeitsgruppen und Initiativen zu I4.0 werden eingesetzt.

Zum Zeitpunkt der Studie waren in 47 % der befragten Unternehmen bereits Industrie 4.0 Anwendungen im Einsatz, bei weiteren 17 % sind entsprechende Möglichkeiten in der Planung. Für eine absolute Minderheit von gerade mal einem Prozent ist Industrie 4.0 „kein Thema“ – und nochmals 8 % sehen überhaupt keine strategische Bedeutung von Industrie 4.0 für ihr Unternehmen. Was sind die Gründe, die gegen I4.0 sprechen? Rund 60 % aller befragten Unternehmen sehen einen zu hohen Investitionsbedarf als großes Hindernis, dicht gefolgt von zu wenig qualifiziertem Personal. Der wirtschaftliche Nutzen hingegen wird kaum angezweifelt – nur knapp 20 Prozent der in der Studie befragten Unternehmen sehen einen „unklaren wirtschaftlichen Nutzen“ in der Digitalisierung.

Wie wird aktuell mit Industrie 4.0 Anwendungen gearbeitet?

Die im vorherigen Absatz erwähnte Studie hat auch erforscht, wofür deutsche Unternehmen aktuell digitale Industrie 4.0 Anwendungen einsetzen. Der allergrößte Teil der befragten Unternehmen nutzt Industrie 4.0 Anwendungen für die „Auswertung von Daten“ – also Maschinen- oder Anlagendaten, die gesammelt und anschließend analysiert werden. Auch Condition Monitoring und Predictive Maintenance, die Zustandsüberwachung von Maschinen und die vorbeugende Instandhaltung, stehen als Industrie 4.0 Anwendungen ganz oben auf der Beliebtheitskala.

Eine weitere Übersicht über den Status Quo der digitalen Industrie in Deutschland bietet das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie unter diesem Link. So nutzen 2020 bereits 20 Prozent der Unternehmen aus der Automobilindustrie selbststeuernde Anlagen, das zusätzliche volkswirtschaftliche Wachstum durch die Industrie 4.0 liegt bei sagenhaften 153 Milliarden Euro – und 83 Prozent aller Produktionsbetriebe sehen einen hohen Digitalisierungsgrad ihrer Wertschöpfungsketten.

Die Zukunft der digitalen Transformation

Einen hervorragenden Überblick über die Zukunftschancen von Industrie 4.0 haben Alfons Botthof und Ernst Andreas Hartmann, Mitarbeiter am Institut für Innovation und Technik der VDI/VDE Innovation und Technik GmbH veröffentlicht (Für mehr Informationen jetzt hier klicken!). Gemäß den beiden Autoren wird die „vierte Stufe" der sogenannten industriellen Revolutionen bestimmt durch das Internet als Infrastruktur und der Verbindung physikalischer Objekte mit dem Internet durch „Cyber-physikalische Systeme“. Durch diese Vernetzung werden Unternehmen zukünftig in der Lage sein, „Maschinen, Lagersysteme und Betriebsmittel so zu vernetzen, dass diese eigenständige Informationen austauschen, Aktionen auslösen und sich wechselseitig selbstständig steuern können.“

Eine Fabrik ohne menschliche Arbeiter – ist das nun unsere Zukunft? Keineswegs, denn der Mensch wird auch in der zukünftigen Smart Factory gemäß den beiden Autoren „der entscheidende Produktionsfaktor“ bleiben. Denn gerade in der Industrie 4.0 werden die Potentiale der Mitarbeiter eine „zentrale Rolle“ bei der „Anwendung und Gestaltung sowie der wirtschaftlichen Nutzung der cyber-physischen Systeme“ spielen.

Macht die smarte Fabrik den Menschen überflüssig?

Wir alle stecken mittendrin – in der vierten industriellen Revolution. Und wie bei den drei vorherigen „Versionsnummern“ ist auch bei der Industrie 4.0 zu erwarten, dass diese Revolution unser Leben einerseits deutlich umkrempelt und andererseits auch komfortabler machen kann. Smarte Fabriken, in denen sich Maschinen und Anlagen miteinander „unterhalten“ und selbstständig steuern, machen Routine-Jobs überflüssig. Gleichzeitig entsteht so aber das Potential für völlig neue Berufe, denn der Mensch als entscheidender Produktionsfaktor wird auch in Zeiten des IIOT und der Industrie 4.0 nicht überflüssig. Deutschland als Land der Maschinen- und Autobauer ist zwar noch nicht vollständig in der smarten Zukunft angelangt (auch wenn das Internet nur noch für eine kleine Minderheit „Neuland“ ist), aber der Trend ist eindeutig. Ein großer Teil des produzierenden Gewerbes investiert bereits in Anwendungen im Bereich der Industrie 4.0 – und ein weiterer, nicht minder großer Teil plant entsprechende Investitionen in der nahen Zukunft.

Die Neugestaltung der Arbeit wird, soviel ist sicher, ein zentrales Thema im Zuge der digitalen Transformation werden. Während die eine Seite eine „systematische Entwertung von Facharbeit“ fürchtet, sehen andere gerade hier auch Chancen. Denn mit der smarten Fabrik werden Facharbeiter, Techniker und Kaufleute mit deutlich erhöhten Anforderungen konfrontiert, wodurch der Bedarf an Überblickswissen, an sozialen und interdisziplinären Kompetenzen steigt. Eine Requalifizierung der Produktionsarbeit also, in der Beschäftigte nicht mehr bloß als klassische Arbeiter, sondern vielmehr als Problemlöser und Entscheider gefordert sind. Die Industrie 4.0 steckt bei allem aber immer noch in den Kinderschuhen – die Zukunft bleibt also spannend.

Quellen:

https://library.oapen.org/bitstream/handle/20.500.12657/27771/1002234.pdf?sequence=1
https://docplayer.org/116496150-Industrie-4-0-status-quo-und-perspektiven.html
https://industrie-wegweiser.de/von-industrie-1-0-bis-4-0-industrie-im-wandel-der-zeit/