Wie Sie den Verfügbarkeitsfaktor (OEE) in der Produktion optimieren

Verfügbarkeitsfaktor als Grundlage für eine Verbesserung

In der produzierenden Industrie ist die zuverlässige Fertigung von Qualitätsprodukten in einer vorgegebenen Geschwindigkeit nicht nur das Maß aller Dinge, sondern der entscheidende Wettbewerbsvorteil. In Kombination mit modernen Methoden zur Optimierung des Geschäftsprozesses – man denke hier an Kaizen, die Wertstromanalyse oder den Demingkreis – gilt die Optimierung des Verfügbarkeitsfaktors als Grundlage für eine Verbesserung der unternehmensinternen Prozesse. In diesem Beitrag widmen wir uns der Frage, wie sich in der Produktion der Verfügbarkeitsfaktor (OEE) optimieren lässt.

Was gibt der OEE-Wert eigentlich an?

Die Overall Equipment Effectiveness (OEE), oder auf Deutsch die Gesamtanlageneffektivität, ist eine Kennzahl, die angibt, zu wie viel Prozent eine Maschine produktiv ist. Auch gibt OEE an, wie viel Produktionszeit verloren geht, sei es durch zu geringe Geschwindigkeit oder Ausschuss. Berechnet wird der OEE-Wert mit drei Faktoren:

  1. Verfügbarkeit
  2. Leistung
  3. Qualität

Detaillierte Informationen zum OEE-Wert finden Sie hier in einem unserer Blog-Beiträge.

Vor der Optimierung steht die Datenerfassung

Damit die OEE-Kennzahl in einem produzierenden Betrieb optimal zur Steigerung der Produktivität genutzt werden kann, muss sie zunächst erfolgreich implementiert werden. Neben der Schulung des für die Implementation von OEE verantwortlichen Teams ist eine detaillierte, genaue Datenerfassung unabdingbar. Hier kann entweder manuell mit Stift und Papier gearbeitet werden - oder auf moderne, leistungsstarke Software zurückgegriffen werden.

Benötigte Produktionsdaten sind:

☑ Anzahl der Werkstücke, die direkt im ersten Prozessdurchlauf fehlerfrei hergestellt wurden
☑ Anzahl der Werkstücke, die im ersten Prozessdurchlauf die gewünschte Qualität nicht erreicht haben
☑ Die Zeit, die bei einer Maschine zwischen der Fertigung von zwei Werkstücken vergeht
☑ Die geplante Produktionszeit unter Ausschluss geplanter Stillstände (Pausen etc.)
☑ Ungeplante Stillstände durch fehlendes Material, technische Störungen etc.

Welche Kennzahl ist bei einer Optimierung realistisch zu erwarten?

Mit den drei Schlüsselfaktoren Verfügbarkeit, Leistung und Qualität lässt sich vergleichsweise einfach die Gesamtanlageneffektivität errechnen. Eine OEE-Kennzahl von 100 % stellt dabei den Idealfall dar, der in der Praxis allerdings nahezu unmöglich zu erreichen ist. Produktionsbetriebe weisen zumeist OEE-Kennzahlen zwischen 60 – 70 % auf. Durch entsprechende Optimierungsmaßnahmen lässt sich die OEE um 5 % bis 25 % erhöhen. Im Sinne des Lean-Manufacturing-Prozesses gilt eine OEE von 85 % als optimales Niveau.

Die meisten Unternehmen nutzen das tatsächliche Produktionspotential nicht aus

In der täglichen Praxis wird das vorhandene Produktionspotential in den allermeisten Betrieben nicht ausgenutzt. Täglich kommt es an den Maschinen oder innerhalb ganzer Fertigungslinien zu Effizienzverlusten, die nicht nur die Produktivität mindern, sondern dazu wirtschaftliche Verluste verursachen. Zu den Effizienzverlusten, die die Betriebe hinnehmen, gehören unter anderem:

☑ Funktionsstörungen an den Maschinen
☑ Ungeplante Unterbrechungen der Fertigung
☑ Verschwendung von Materialien und Werkzeugen
☑ Ausschuss

Die „Six Big Losses“ erkennen

Six Big Losses OEE

Das Hauptziel der OEE ist es, Effizienzverluste aufzuzeigen und zu beseitigen. Die sechs höchst relevanten Effizienzverluste – auch als „Six Big Losses“ bezeichnet – sollten dabei als erstes angegangen werden, um die Gesamtanlageneffektivität nachhaltig und zuverlässig zu steigern. Die Six Big Losses werden dabei in drei Kategorien aufgeteilt, die wiederum jeweils aus zwei Arten von Verlusten bestehen.

Kategorie 1: „Verluste bei der Verfügbarkeit“

Ursache 1: Ausfall. Zu dieser Ursache zählen Störungen und Ausfälle, beispielsweise erkrankte Arbeitnehmer, die als Bediener an einer Maschine fehlen.
Ursache 2: Einstellung. Hier sind es zu langsam durchgeführte Werkzeugwechsel oder falsche Werkzeugeinstellungen, die für Verluste der Verfügbarkeit sorgen.

Kategorie 2: „Verluste bei der Leistung“

Ursache 1: Micro Stops. Unter Micro Stops versteht man Maschinenstillstände von weniger als drei Minuten.
Ursache 2: Geschwindigkeitsverlust. Hierzu zählen alle Einflüsse, die den Betrieb einer Maschine so beeinflussen, dass diese nicht mit der theoretisch maximalen Geschwindigkeit betrieben werden kann.

Kategorie 3: „Verluste bei der Qualität“

Ursache 1: Ausschuss beim Anfahren. Jedweder Ausschuss, der in der frühen Herstellungsphase entsteht, wird in diese Kategorie einsortiert. Der Ausschuss kann beispielsweise durch falsch eingestellte Referenzpunkte oder eine zu kalte Maschine verursacht werden.
Ursache 2: Ausschuss bei der Herstellung. Auch im Regelbetrieb kann jederzeit Ausschuss entstehen. Insbesondere Mess- und Programmierfehler sind hier als Hauptverursacher in Betracht zu ziehen.

Wie lässt sich nun der OEE-Verfügbarkeitsfaktor erhöhen?

OEE Faktoren Verfügbarkeit Leistung QUalität

Störungen in der Verfügbarkeit werden in der Regel als Ausgangspunkt für alle weiteren OEE-Optimierungsmaßnahmen herangezogen. Die Ursachen der mangelhaften Verfügbarkeit sind recht transparent und können daher vergleichsweise einfach und schnell beseitigt werden. Verfügbarkeitsverluste sind Stillstände oberhalb eines vorab definierten Grenzwertes. Zu den typischen Verlusten der Verfügbarkeit zählen fehlende Bediener, fehlendes Material, Pausen, Reinigungsarbeiten, Defekte an den Maschinen, die Wartezeit auf Instandhaltung oder Rüstvorgänge – also jeder Vorgang, der zu einem längeren Stillstand einer Maschine, Fertigungslinie oder Anlage führt.

Damit sich der OEE-Verfügbarkeitsfaktor erhöhen lässt, muss zuerst die mögliche Produktionszeit genau definiert werden. Denn eine Maschinenverfügbarkeit von 24 Stunden pro Tag ist zwar theoretisch auf dem Papier möglich – in der Praxis hingegen sind Stillstände immer zu erwarten und auch geplant.

Ein Beispiel zur Verdeutlichung: In einem metallverarbeitenden Betrieb sind zwei Acht-Stunden-Schichten täglich eingeplant. Eine CNC-Drehmaschine in diesem Betrieb soll in den beiden Schichten jeweils für eine Stunde gewartet und gereinigt werden. In der Theorie könnte diese CNC-Drehmaschine also nun 14 Stunden laufen. In der Realität läuft sie aber nur 12 Stunden. Berechnet man nun die Verfügbarkeit, liegt diese bei rund 86 %.

Das Unternehmen in unserem Beispiel hier muss sich nun fragen, warum die Drehmaschine zwei Stunden lang nicht produziert hat – obwohl sie es in der Theorie könnte. Die Ursachen für den Verfügbarkeitsverlust können sein:

☑ Störungen an der Maschine, beispielsweise durch defekte Relais, Kabelbruch, defekte Servomotoren etc.
☑ Längere Wartungszeiten als geplant, zum Beispiel wegen Wirrspänen, deren Beseitigung länger dauerte, starker Verschmutzung durch Ölnebel oder ähnlichem
☑ Fehlende Aufträge, zu wenig Material oder fehlende Mitarbeiter

Das Unternehmen muss hier, will es den Verfügbarkeitsfaktor erhöhen, die Gründe für den Stillstand detailliert erfassen. So lässt sich ableiten, welche konkreten Maßnahmen genau eingeleitet werden müssen, um die Verfügbarkeit zu erhöhen. Während für das Datensammeln in der Vergangenheit auf manuelle Methoden zurückgegriffen wurde, ermöglicht die Industrie 4.0 mit entsprechender Software heutzutage einen wesentlich genaueren, einfacheren Weg, um Störungen aufzuzeichnen.

Auch bei den Rüstzeiten, die die Verfügbarkeit einer Maschine einschränken, gibt es wirkungsvolle Instrumente, um diese Zeiten zu verkürzen. In einem unserer Beiträge haben wir das SMED-Verfahren (Single Minute of Die) vorgestellt – eine Methode, die die Rüstzeit einer Produktionsmaschine deutlich reduzieren kann.

Fazit:

Die OEE einer Produktionslinie ist eine zuverlässige Kennzahl für die Produktivität einer Maschine, einer Fertigungslinie oder einer Anlage. Die drei Faktoren Verfügbarkeit, Leistung und Qualität hängen hier untrennbar zusammen – denn nur wenn alle drei Faktoren optimiert werden, ist die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens auf Dauer sichergestellt. Dem Verfügbarkeitsfaktor kommt dabei eine tragende Rolle zu – denn Verschwendungen durch Stillstände sind zum einen recht einfach zu erkennen und zum anderen ebenso einfach abzustellen. Daher wird der Verfügbarkeitsfaktor häufig als erster Punkt in einem Maßnahmenpaket bearbeitet – und stellt somit einen hervorragenden Einstieg in die Optimierung der Gesamtanlageneffektivität dar.

Im Zuge der Industrie 4.0 sind immer mehr Maschinen miteinander vernetzt – und entsprechende Software, wie die IIoT-Software da³vid, sorgt dafür, dass ungeplante Stillstände so präzise und wenig Aufwand festgehalten werden können, wie nie zuvor.

Quellen:

https://monami.hsmittweida.de/frontdoor/deliver/index/docId/6392/file/Diplomarbeit+Robert+Stolzlechner_27891.pdf

https://de-academic.com/dic.nsf/dewiki/515644#Verf.C3.BCgbarkeitsfaktor

https://mymaintenance.blog/2020/02/18/kpis-kennzahlen-der-instandhaltung